Kapitel 4
Ungleichungen

Wir wollen in diesem Abschnitt nur die Definition und einige Eigenschaften von Ungleichungen behandeln. Das Umformen von Ungleichungen ist dem Umformen von Gleichungen recht ähnlich. Auf die Unterschiede werden wir in Bemerkung 4.0.6 eingehen.

Auch dieses Kapitel ist recht technisch und kann gerade beim ersten Lesen verwirren. Wenn das bei euch der Fall ist, konzentriert euch erst einmal auf die Bemerkungen 4.0.4 und 4.0.6. Das sind die beiden wichtigsten Teile dieses Abschnitts.

4.0.1 Definition. Eine mathematische Aussage in der die Größe zweier Terme T 1 und T 2 verglichen wird, bezeichnet man als Ungleichung. Genauer gesagt haben Ungleichungen eine der folgenden Formen:

1.
“T 1 ist kleiner als T 2.”   oder in Zeichen   “T 1 < T 2
2.
“T 1 ist kleiner oder gleich T 2.”   oder in Zeichen   “T 1 ≤ T 2
3.
“T 1 ist größer als T 2.”   oder in Zeichen   “T 1 > T 2
4.
“T 1 ist größer oder gleich T 2.”   oder in Zeichen   “T 1 ≥ T 2

Anstatt “kleiner” sagt man auch “echt kleiner”, wenn man verdeutlichen will, dass nicht “kleiner oder gleich” gemeint ist. Ebenso sagt man “echt größer” wenn man verdeutlichen will, dass die Gleichheit ausgeschlossen ist.

Wie jede mathematische Aussage, sind auch Ungleichungen entweder wahr oder falsch. Man sagt auch, dass eine Ungleichung erfüllt ist, wenn sie wahr ist. Eine Ungleichung heißt nicht erfüllt, wenn sie falsch ist.

Ist mindestens einer der beiden Terme von einer oder mehreren Variablen abhängig, so hängt der Wahrheitswert der Ungleichung in der Regel davon ab, welche Werte man konkret für die Variablen einsetzt. In diesem Fall bezeichnet man die Werte, beziehungsweise Kombinationen von Werten, für die die Ungleichung wahr ist, als Lösungen der Ungleichung.

4.0.2 Beispiel.

1.
Die Ungleichung 3 ≤ 5 ist wahr (das heißt erfüllt).
2.
Die Ungleichung 4 < 2 ist falsch (das heißt nicht erfüllt).
3.
Die Ungleichung 1 ≥ 1 ist wahr.
4.
Die Ungleichung 1 > 1 ist falsch.
5.
Der Wahrheitswert der Ungleichung 2x+1 ≤ 3 hängt davon ab, welche Zahl man für x einsetzt. Setzt man 1 ein, so lautet die Ungleichung 2⋅1+1 ≤ 3 und ist daher wahr. Das heißt 1 ist eine Lösung der Ungleichung 2x+1 ≤ 3. Ebenso ist jede Zahl kleiner als 1 eine Lösung. Setzt man hingegen eine Zahl ein, die größer als 1 ist, so erhält man eine unwahre Aussage. Für x = 5 erhalten wir etwa die falsche Aussage 2⋅5+1 ≤ 3.
6.
Die Gleichung 1+x< 4+x ist immer wahr, obwohl ihre beiden Terme von einer Variablen abhängen. Das liegt daran, dass 4+x immer 3 mehr ist als 1+x, egal welche Zahl man für x einsetzt.

4.0.3 Satz (Eigenschaften von Ungleichungen). Es seien T 1,T 2 und T 3 drei Terme. Dann gilt:

1.
T 1 ≤ T 2   gilt genau dann, wenn   T 2 ≥ T 1.
2.
T 1 ≤ T 2   gilt genau dann, wenn   T 1 +T 3 ≤ T 2 +T 3.
3.
T 1 ≤ T 2   gilt genau dann, wenn   T 1 −T 3 ≤ T 2 −T 3.
4.
T 1 ≤ T 2   gilt genau dann, wenn   −T 1 ≥−T 2.
5.
Es seien T 1 und T 2 beide < 0 oder beide > 0. Dann gilt   T 1 ≤ T 2   genau dann, wenn   1-
T11-
T2.
6.
Gelten   T 3 > 0  und   T 1 ≤ T 2,  dann gelten auch:   T 1 ⋅T 3 ≤ T 2 ⋅T 3   und   T1
T3T2
T3.
7.
Gelten   T 3 < 0  und   T 1 ≤ T 2,  dann gelten auch:   T 1 ⋅T 3 ≥ T 2 ⋅T 3   und   T1
T-
 3T2
--
T3.
8.
Gelten   T 1 ≤ T 2   und   T 2 ≤ T 3,  so folgt   T 1 ≤ T 3.

4.0.4 Bemerkung. Wir haben die Aussagen in Satz 4.0.3 nur für den Vergleich mittels ≤ formuliert. Die Aussagen gelten aber analog auch für die Vergleiche <, > und ≥. In Worten besagt der Satz daher Folgendes:

1.
Vertauscht man die Seiten einer Ungleichung, so muss man das Vergleichszeichen umdrehen.
2.
Das Addieren desselben Terms auf beiden Seiten einer Ungleichung ändert den Wahrheitsgehalt der Ungleichung nicht.
3.
Das Subtrahieren desselben Terms auf beiden Seiten einer Ungleichung ändert den Wahrheitsgehalt der Ungleichung nicht.
4.
Multipliziert man beide Seiten einer Ungleichung mit −1 (das heißt, dreht man die Vorzeichen beider Seiten um), so muss man auch das Vergleichszeichen umdrehen.
5.
Sind beide Seiten der Ungleichung > 0, so dreht sich beim Bilden des Kehrwertes das Vergleichszeichen um. Gleiches gilt, wenn beide Seiten < 0 sind.
6.
Multipliziert man beide Seiten einer Ungleichung mit einem Term größer als 0, so ändert sich der Wahrheitsgehalt der Ungleichung nicht. Gleiches gilt für das Dividieren durch einen Term größer als 0.
7.
Multipliziert man beide Seiten einer Ungleichung mit einem Term kleiner als 0, so muss man das Vergleichszeichen umdrehen. Gleiches gilt für das Dividieren durch einen Term kleiner als 0.
8.
Wenn A kleiner/gleich B ist und B wiederum kleiner/gleich C ist, dann muss auch A kleiner/gleich C sein. Diese Eigenschaft nennt man Transitivität.

4.0.5 Beispiel. Wir geben zu jeder der Aussagen aus Satz 4.0.3 einige Beispiele an. Dabei variieren wir auch das Vergleichszeichen, um Bemerkung 4.0.4 zu verdeutlichen.

1.
Vertauschen der Seiten:
  • x ≤ 1   gilt genau dann, wenn   1 ≥ x.
  • x ≥ 3   gilt genau dann, wenn   3 ≤ x.
2.
Addieren desselben Terms auf beiden Seiten:
  • x ≤ 1   gilt genau dann, wenn   x+3 ≤ 1+3.
  • x ≥ 3   gilt genau dann, wenn   x+2y ≥ 3+2y.
3.
Subtrahieren desselben Terms auf beiden Seiten:
  • x ≤ 1   gilt genau dann, wenn   x−3 ≤ 1−3.
  • x ≥ 3   gilt genau dann, wenn   x−2y ≥ 3−2y.
4.
Multiplizieren von beiden Seiten mit (−1):
  • x ≤ 1   gilt genau dann, wenn   −x ≥−1.
  • x ≥ 3   gilt genau dann, wenn   −x ≤−3.
5.
Bilden des Kehrwerts auf beiden Seiten:
  • 2 ≤ 5   gilt genau dann, wenn   1
21
5, da 2 und 5 beide größer als 0 sind.
  • −2 ≥−5   gilt genau dann, wenn   −1
2 ≤−1
5, da sowohl −2 als auch −5 kleiner als 0 sind.
6.
Multiplizieren beider Seiten mit einem Term der > 0 ist, sowie Dividieren beider Seiten durch einen Term der > 0 ist:
  • Da   7 > 0   und   2 ≤ 5,   gilt auch   2⋅7 ≤ 5⋅7. Zudem gilt 2
75
7.
  • Gilt  b > 0,  so folgt aus   a < 7,   dass   a⋅b < 7⋅b   und   a
b < 7
b.
7.
Multiplizieren beider Seiten mit einem Term der < 0 ist, sowie Dividieren beider Seiten durch einen Term der < 0 ist:
  • Da   −7 < 0   und   2 ≤ 5,   gilt auch   2⋅(−7) ≥ 5⋅(−7). Zudem gilt −2
7 ≥−5
7.
  • Gilt  b < 0,  so folgt aus   a < 7,   dass   a⋅b > 7⋅b   und   a
b > 7
b.
8.
Transitivität:
  • Da   11
13 ≤ 1   und   1 ≤5
3,   folgt   11-
135
3.
  • Gelten   x < 1   und   1 < y,   so folgt   x < y.

4.0.6 Bemerkung. Prinzipiell kann man auf Ungleichungen die gleichen Umformungen anwenden wie auf Gleichungen. Allerdings können bei Ungleichungen Effekte auftreten, um die man sich bei Gleichungen keine Sorgen machen muss. So dreht sich etwa bei gewissen Umformungen das Vergleichszeichen um. Einige davon haben wir in Bemerkungen 4.0.4 schon erwähnt. Hier ein explizites Beispiel: Wir lösen die Ungleichung

  3
− -x +9 ≤ 0
  5
nach x auf.
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Des Weiteren kann es vorkommen, dass eine Fallunterscheidung notwendig wird. Wenden wir beispielsweise auf beiden Seiten der Ungleichung x2 ≥ 4 die Wurzelfunktion an, so erhalten wir

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Statt dass wir nach dem Wurzelziehen zwischen zwei Fällen unterscheiden müssen, kann es auch vorkommen, dass hinterher zwei Ungleichungen gleichzeitig erfüllt sein müssen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn wir bei der Ungleichung x2 ≤ 9 auf beiden Seiten die Wurzel ziehen.

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