Kapitel 7
Schnittpunkte von Funktionen

In diesem Abschnitt gehen wir auf den Zusammenhang zwischen dem Lösen von Gleichungen und dem Berechnen der Schnittpunkte quadratischer Funktionen ein.

7.0.1 Definition. Es seien f : ℝ → ℝ und g : ℝ → ℝ zwei Funktionen. Gilt für x ∈ ℝ, dass f(x) = g(x), so nennen wir x eine Schnittstelle und den Punkt (x,f(x)) = (x,g(x)) einen Schnittpunkt der Funktionen f und g.

7.0.2 Beispiel. Schnittpunkte sind gerade solche Punkte, die sowohl auf dem Graphen von f liegen als auch auf dem Graphen von g. Schnittstellen sind die x-Koordinaten von Schnittpunkten. Die beiden Funktionen

f : ℝ → ℝ, x ↦→ x
und
g: ℝ → ℝ, x↦→  x2
schneiden sich in den Punkten (0,0) und (1,1), da f(0) = 0 = g(0) und f(1) = 1 = g(1). Daher sind x = 0 und x = 1 Schnittstellen von f und g. Wir veranschaulichen dies mit einer Zeichnung.

7.0.3 Bemerkung. Wie berechnet man nun solche Schnittpunkte und -stellen für gegebene Funktionen f : ℝ → ℝ und g : ℝ → ℝ? Laut Definition sind Schnittstellen solche reelle Zahlen x ∈ ℝ die f(x) = g(x) erfüllen. Das heißt, um Schnittstellen zu berechnen müssen wir die Gleichung

f(x)= g(x)
lösen. Haben wir alle Schnittstellen bestimmt, so lassen sich die Schnittpunkte leicht angeben: Zu jeder Schnittstelle x berechnen wir einfach f(x) oder g(x) und schon haben wir den zugehörigen Schnittpunk (x,f(x)) beziehungsweise (x,g(x)). Welche Funktion wir dabei zum Berechnen der y-Werte der Schnittpunkte benutzen ist egal, da die Funktionswerte an den Schnittstellen ja übereinstimmen. Wir können also die Funktion benutzen, deren Funktionswerte sich leichter berechnen lassen.

7.0.4 Beispiel. Wir haben uns in den vorangehenden Kapiteln mit linearen und quadratischen Gleichungen beschäftigt. Daher verfügen wir nach Bemerkung 7.0.3 also über die nötigen Mittel, um die Schnittpunkte linearer und quadratischer Funktionen zu bestimmen. Betrachten wir etwa die Funktionen

f : ℝ → ℝ, x ↦→ 2x − 1
und
g: ℝ → ℝ, x↦→  − 3⋅(x− 2)2+ 3
so müssen wir zum Berechnen der Schnittstellen die Gleichung
2x− 1 = − 3 ⋅(x− 2)2+ 3
lösen. Dazu formen wir diese zunächst etwas um.
pict

Um die Schnittstellen zu berechnen, müssen wir also eine quadratische Gleichung in Normalform lösen. Wenn wir dies mit den in Abschnitt 6.2 vorgestellten Methoden erledigen, erhalten wir die beiden Lösungen x = 4
3 und x = 2. Wir berechnen die y-Werte der Schnittpunkte mit Hilfe der Funktionsvorschrift von f.

pict

Das heißt, f und g schneiden sich in den Punkten (4  5)
  3,3 und (2,3). Wir veranschaulichen dies wieder mit einer Zeichnung.

7.0.5 Aufgabe. Berechne jeweils die Schnittpunkte der beiden gegebenen Funktionen

1.
f :  ℝ → ℝ, x↦2   und   g :  ℝ → ℝ, x↦3x+1
2.
f :  ℝ → ℝ, x↦x+2   und   g :  ℝ → ℝ, x↦−2x−1
3.
f :  ℝ → ℝ, x↦2⋅(x−1)2 +2   und   g :  ℝ → ℝ, x↦x+1
4.
f :  ℝ → ℝ, x↦(x+2)2 −15   und   g :  ℝ → ℝ, x↦−2⋅(x−4)2 +12
5.
f :  ℝ → ℝ, x↦(x+1)2 −3   und   g :  ℝ → ℝ, x↦−2⋅(x−2)2 +3

In der fünften Teilaufgabe liegt ein besonderer Schnittpunkt vor: Man sagt, dass sich die beiden Graphen dort berühren. Was genau das bedeutet, behandeln wir aber erst in einem späteren Kapitel.

7.0.6 Definition. Es sei f :  ℝ → ℝ eine Funktion. Gilt für x ∈ ℝ, dass f(x) = 0 ist, so nennen wir x eine Nullstelle von f.

7.0.7 Bemerkung. Nullstellen sind ein Spezialfall von Schnittstellen, denn eine Nullstelle von f ist eine Schnittstelle von f und der konstanten Funktion

ℝ →  ℝ, x↦→  0
Der Graph dieser konstanten Funktion besteht aus den Punkten der Form (x,0), mit x ∈ ℝ. Das heißt, die Nullstellen von f sind gerade die Schnittstellen des Graphen von f mit der x-Achse. Sie lassen sich ermitteln, indem man die Gleichung
f(x)= 0
löst.

7.0.8 Aufgabe. Berechne die Nullstellen der folgenden Funktionen

1.
f1 :  ℝ → ℝ, x↦x
2.
f2 :  ℝ → ℝ, x↦2x+3
3.
f3 :  ℝ → ℝ, x↦−3
4.
f4 :  ℝ → ℝ, x↦x2 −1
5.
f5 :  ℝ → ℝ, x↦−3⋅(x−2)2 +3
6.
f6 :  ℝ → ℝ, x↦3
2 ⋅(x−2)2 −6
7.
f7 :  ℝ → ℝ, x↦(x+1)2 +2
8.
f8 :  ℝ → ℝ, x↦0,5⋅x2 +1,75⋅x

7.0.9 Bemerkung und Definition. Mit den Nullstellen haben wir Schnittpunkte von Funktionsgraphen mit der x-Achse betrachtet. Wir wollen auch die Punkte gesondert behandeln, an denen der Funktionsgraph die y-Achse schneidet.

Es sei f :  ℝ → ℝ eine Funktion. Den Funktionswert f(0) von f an der Stelle x = 0 nennen wir den y-Achsenabschnitt von f. Um diesen zu berechnen, müssen wir einfach nur x = 0 in die Funktionsgleichung einsetzen.

Im Gegensatz zur x-Achse ist die y-Achse nicht als Graph einer Funktion darstellbar, da sie aus den Punkten der Form (0,y), mit y ∈ ℝ, besteht. Wollten wir sie als Funktionsgraph darstellen, müssten wir der 0 jede reelle Zahl zuordnen, was der Definition einer Funktion widerspräche.

7.0.10 Aufgabe. Berechne auch die y-Achsenabschnitte der Funktionen aus Aufgabe 7.0.8.