9.5.1 Eigenschaften

9.5.7 Satz. Jede konvergente Folge reeller Zahlen besitzt genau einen Grenzwert.

Beweis. Es sei (an)n∈ℕ eine konvergente Folge reeller Zahlen. Zudem seien a,b ∈ ℝ Grenzwerte von (an). Wir müssen zeigen, dass dann die beiden Zahlen a und b übereinstimmen. Anders ausgedrückt, müssen wir zeigen, dass der Abstand |a−b| gleich 0 ist.

Zu diesem Zweck sei δ > 0 eine beliebig gewählte reelle Zahl. Wir setzen ϵ := 12 ⋅δ. Da a Grenzwert von (an) und ϵ > 0 ist, gibt es einen Index na, so dass Folgendes gilt:

|an− a|<  ϵ, für alle n ≥ na
Da aber auch b Grenzwert von (an) ist, gibt es einen Index nb, so dass Folgendes gilt:
|an− b|<  ϵ, für alle n ≥ nb
Definieren wir nun k als die größere der beiden Zahlen na und nb, so gilt sowohl |ak−a| < ϵ, als auch |ak−b| < ϵ. Daraus ergibt sich
                                        1-
|a − b| ≤ |a − ak|+ |b− ak|< ϵ+ ϵ = 2⋅ϵ = 2⋅2 ⋅δ = δ
Insbesondere gilt
|a− b|< δ
Zusammenfassend heißt das, dass der Abstand |a−b| kleiner ist als jede beliebige Zahl δ > 0. Das bedeutet, dass der Abstand ≤ 0 sein muss. Andererseits ist der Abstand zwischen zwei Zahlen auch immer ≥ 0. Also muss |a−b| = 0 gelten.

9.5.8 Satz. Jede konvergente Folge reeller Zahlen ist beschränkt.

Beweis. Es sei (an)n∈ℕ eine konvergente Folge reeller Zahlen. Nach Satz 9.4.4 reicht es zu zeigen, dass es eine reelle Zahl M mit der Eigenschaft gibt, dass |an|≤ M für alle n ∈ ℕ.

Dazu sei a der Grenzwert der Folge (an). Dann gibt es einen Index n0 mit der Eigenschaft, dass |an−a| < 1 für alle n ≥ n0. Wir definieren M als die größte der Zahlen |a1|, |a2|, …, |an0−1|,1+|a|. Dann folgt, dass

|a |= |a  − a+ a|≤ |a − a|+|a|< 1 +|a|≤ M
  n    n            n
für alle n ≥ n0 gilt. Also wissen wir schon, dass alle Folgenglieder ab dem Index n0 kleiner sind als M. Gemäß unserer Wahl von M gilt aber auch für n = 1,2,…,n0 −1, dass
|an|≤ M
Also ist die Folge (an)n∈ℕ beschränkt.

9.5.9 Bemerkung. Satz 9.5.8 besagt, dass jede konvergente Folge auch beschränkt ist. Umgekehrt gilt also, dass jede unbeschränkte Folge keinen Grenzwert haben kann. Dies kann man sich zu Nutze machen, um nachzuweisen, dass eine Folge keinen Grenzwert hat. Beispielsweise sind die Folgen (−n)n∈ℕ, (n2)n∈ℕ, (2n)n∈ℕ und (2−3n)n∈ℕ alle unbeschränkt und daher nicht konvergent.

9.5.10 Aufgabe.

1.
Es sei (an)n∈ℕ eine arithmetische Folge mit Differenz d. Untersuche die Folge, in Abhängigkeit der Differenz d, auf Konvergenz. Hinweis: Du kannst dir dabei die Resultate von Aufgabe 9.4.6 Teilaufgabe 4 zu Nutze machen.
2.
Denke dir selbst zwei Beispiele für Folgen aus, die zwar beschränkt sind, aber nicht konvergieren.