9.3 Monotonie

9.3.1 Definition. Wir nennen eine Folge (an)n∈ℕ reeller Zahlen

  • monoton wachsend, falls  an ≤ an+1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton wachsend, falls  an < an+1  für alle n ∈ ℕ
  • monoton fallend,   falls  an ≥ an+1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton fallend,   falls  an > an+1  für alle n ∈ ℕ

9.3.2 Tipps. Statt eine Folge mittels der Definition 9.3.1 auf Monotonie zu untersuchen, kannst du natürlich auch umgeformte Versionen der jeweiligen Ungleichung verwenden. So könntest du beispielsweise die Ungleichung an ≤ an+1 wie folgt umformen:

pict

Das heißt, dass du statt an ≤ an+1 auch einfach an+1 −an ≥ 0 überprüfen kannst. Das kann durchaus leichter sein, je nachdem welche Folge du gerade untersuchst.

Weiteres dazu findest du am Ende dieses Abschnitts (siehe Bemerkungen 9.3.6 und 9.3.8, sowie die jeweils nachfolgenden Beispiele).

9.3.3 Beispiel. Hinweis: Aufgabe 9.3.5 läd dazu ein noch weiter über die folgenden Beispiele nachzudenken.

1.
Die harmonische Folge (an)n∈ℕ mit an = 1
n ist streng monoton fallend. In der Tat gilt für die Kehrwerte zweier Zahlen n < m:
1-> 1-
n   m
Insbesondere gilt
     1    1
an = ->  -----= an+1
     n   n+ 1
für alle n ∈ ℕ.
2.
Es sei (an)n∈ℕ eine konstante Folge, dann ist (an) sowohl monoton wachsend, als auch monoton fallend.

Das liegt daran, dass alle Glieder einer konstanten Folge gleich sind. Das heißt, es gilt  an = an+1  für alle n ∈ ℕ. Daraus folgt, dass sowohl  an ≤ an+1  als auch  an ≥ an+1  für alle n ∈ ℕ gilt.

Dahingegen ist (an)n∈ℕ weder streng monoton wachsend, noch streng monoton fallend, da wir in der Definition dieser Begriffe jeweils die Gleichheit zweier aufeinanderfolgender Glieder ausgeschlossen haben.

3.
Alternierende Folgen sind weder monoton wachsend, noch monoton fallend, da die Folgenglieder ständig das Vorzeichen wechseln.

Betrachten wir beispielsweise die Folge (an)n∈ℕ, mit an = (−1)n, dann gilt Folgende Wertetabelle:

 n  | 1  |2 | 3  |4 | 5 |6 | 7  |8 | 9  |...
----|----|--|----|--|---|--|----|--|----|---
 an |− 1 |1 |− 1 |1 |− 1|1 |− 1 |1 |− 1 |...
Insbesondere ist
  • a1 < a2, sodass (an)n∈ℕ nicht monoton fallend sein kann, und
  • a2 > a3, sodass (an)n∈ℕ nicht monoton wachsend sein kann.
4.
Es sei (an)n∈ℕ eine arithmetische Folge mit Differenz d. Dann gelten:
  • Ist d > 0, so ist (an) streng monoton wachsend.
  • Ist d = 0, so ist (an) konstant.
  • Ist d < 0, so ist (an) streng monoton fallend.

Wir begründen den ersten dieser drei Punkte. Die anderen beiden werden in Aufgabe 9.3.4 behandelt.

Die Glieder der Folge (an) gehorchen der Rekursionsvorschrift

an+1 = an+ d  für alle n ∈ ℕ
Ist nun d > 0, so gilt
an < an+ d = an+1
für alle n ∈ ℕ. Das bedeutet, die Folge ist streng monoton wachsend.

Betrachten wir beispielsweise die konkrete Folge (an)n∈ℕ mit

pict

Dann gilt:

an < an+ 2 = an+1
für alle n ∈ ℕ. In Worten: Jedes Folgenglied ist um 2 größer als das vorhergehende. Die Folge ist daher streng monoton wachsend.
5.
Es sei (an)n∈ℕ eine geometrische Folge mit Anfangsglied a > 0 und Quotient q. Dann gelten:
  • Ist q > 1, so ist (an) streng monoton wachsend.
  • Ist q = 1, so ist (an) konstant.
  • Ist 0 < q < 1, so ist (an) streng monoton fallend.

Auch hier wollen wir eine Begründung liefern. Es gilt die Rekursionsvorschrift

pict

Der Wert des n-ten Folgenglieds lässt sich also berechnen, indem man das vorangehende Folgenglied mit q multipliziert. Wir unterscheiden nun dieselben drei Fälle wie oben.

  • Ist q > 1, so multiplizieren wir mit einer Zahl > 1, sodass das n-ten Folgenglied immer betragsmäßig größer ist als das (n− 1)-te. Da das Anfangsglied a nach Voraussetzung > 0 ist, ist “betragsmäßig größer” gleichbedeutend mit “größer”. Eine wortlose Begründung würde wie folgt aussehen:
    an = an−1⋅q > an−1⋅1= an−1
    für alle n ≥ 2. Daher ist die Folge in diesem Fall streng monoton wachsend.
  • Ist q = 1, so multiplizieren wir mit 1, ändern also gar nichts. Dementsprechend ist der Wert jedes Folgenglieds gleich dem des Anfangsglieds. Oder wieder mit wenig Worten ausgedrückt:
    an = an−1 ⋅1 = an−1
    für alle n ≥ 2. Daher ist die Folge in diesem Fall konstant.
  • Ist 0 < q < 1, so hat das Multiplizieren mit q zur Folge, dass das n-ten Folgenglied immer betragsmäßig kleiner ist als das (n−1)-te. Da das Anfangsglied a positiv ist, ist “betragsmäßig kleiner” gleichbedeutend mit “kleiner”. Die wortlose Version:
    a = a   ⋅q < a   ⋅1= a
 n   n−1      n−1     n−1
    für alle n ≥ 2. Daher ist die Folge in diesem Fall streng monoton fallend.

Wir betrachten noch konkrete Beispiele.

  • Es sei (an)n∈ℕ die geometrische Folge mit Anfangsglied 3 und Quotient 13. Das heißt,
    pict

    Die direkte Berechnungsvorschrift ergibt sich dann als

    a = 3⋅13n−1
 n
    Die Folge ist streng monoton wachsend.
  • Betrachten wir nun die Folge (an)n∈ℕ mit
            n−1
an = 7⋅1
    für alle n ∈ ℕ. Anders ausgedrückt, gilt an = 7 für alle n ∈ ℕ. Die Folge ist demnach konstant.
  • Die Folge (an)n≥0 mit
    pict

    hat die direkte Berechnungsvorschrift

           (  )n
an = 5⋅  1-
         2
    für alle n ≥ 0. Sie ist daher streng monoton fallend.

9.3.4 Aufgabe.

1.
Im Folgenden sind verschiedene Berechnungsvorschriften für Folgen der Form (an)n∈ℕ gegeben. Entscheide jeweils, wenn möglich ohne Rechnungen durchzuführen, welche Arten von Monotonie vorliegen und welche nicht.
(a)
an = n
(b)
an = n2
(c)
an = √--
 n
(d)
an = 1
n2
(e)
an = −n
(f)
an = √1-
 n
(g)
an = 3n+2
(h)
an = 4−5n
(i)
an = 5−7
n-
(j)
an = 2n
(k)
an = 2−n
(l)
an = (−2)n
(m)
an = −2n
(n)
an = √n--
  2
(o)
an = (  )
 2-
 3n
2.
Untersuche das Monotonieverhalten der Folge (an)n∈ℕ. Lege dabei folgende Berechnungsvorschriften zugrunde:
(a)
an = (n−3)2
(b)
an = (n+3)2
(c)
an = -n---
n+ 1
(d)
an = n+ 1
-n---
(e)
an =  2
n-+-1-
n+ 1
(f)
an = n-
2n
3.
Untersuche das Monotonieverhalten der folgenden Folgen:
(a)
(an)n≥0, mit an = --1---
2n+ 1
(b)
(bn)n≥−5, mit bn =   1
2n+-1-
(c)
(cn)n≥−4, mit cn = 3−n2
(d)
(dn)n≥4, mit dn = 3−n2
4.
Untersuche die Folge (an)n∈ℕ , mit
     (
     |{ n      falls n gerade
an =
     |( n + 1  falls n ungerade
auf Monotonie. Um eine Idee zu bekommen, welche Art von Monotonie vorliegt, kannst du beispielsweise die ersten zehn Folgenglieder ausrechnen und den Graphen der Folge skizzieren.
5.
Denke dir selbst jeweils eine Folge aus, die
(a)
... monoton fallend, aber nicht streng monoton fallend ist.
(b)
... weder monoton wachsend, noch monoton fallend ist.
(c)
... sowohl monoton wachsend, als auch monoton fallend ist.

Gibt es Folgen, die ...

(d)
... streng monoton wachsend, aber nicht monoton wachsend sind?
(e)
... sowohl streng monoton wachsend, als auch streng monoton fallend sind?

Begründe jeweils deine Antwort.

6.
Betrachte die Folge (an)n∈ℕ , mit
pict

Zeige, dass die Folge streng monoton wachsend ist. Dabei kannst du wie folgt vorgehen:

(a)
Zeige, dass a1 < a2.
(b)
Zeige, dass für alle n ≥ 2 gilt: Wenn an−1 < an, dann ist auch an < an+1.
(c)
Folgere, dass die Folge (an) streng monoton wachsend ist.

Wie ändert sich das Monotonieverhalten, wenn wir statt a1 = 1 das Anfangsglied a1 = 9 wählen? Was, wenn wir a1 = 16 wählen? Begründe jeweils deine Antwort.

9.3.5 Aufgabe. Die folgenden Aufgaben sollen dazu einladen, noch weiter über die Beispiele  9.3.3 nachzudenken.

1.
Wir haben in Beispiel 9.3.3 gesehen, dass konstante Folgen sowohl monoton wachsend als auch monoton fallend sind. Gilt auch die Umkehrung? Das heißt, muss jede Folge, die sowohl monoton wachsend, als auch monoton fallend ist schon konstant sein? Begründe deine Antwort.
2.
Gibt es, neben den alternierenden Folgen, noch weitere Folgen, die weder monoton wachsend noch monoton fallend sind? Begründe deine Antwort.
3.
Es sei (an)n∈ℕ eine arithmetische Folge mit Differenz d. Zeige, dass Folgendes gilt:
  • Ist d = 0, so ist (an) konstant.
  • Ist d < 0, so ist (an) streng monoton fallend.

Untersuche zu jedem der beiden Fälle auch ein von dir selbst gewähltes, konkretes Beispiel.

4.
Wir haben in Beispiel 9.3.3 den Fall geometrischer Folgen (an)n∈ℕ mit Anfangsglied a > 0 und Quotient q > 0 abgehandelt. Zeige nun, dass für a < 0 gilt:
  • Ist q > 1, so ist (an) streng monoton fallend.
  • Ist q = 1, so ist (an) konstant.
  • Ist 0 < q < 1, so ist (an) streng monoton wachsend.

Untersuche zu jedem der drei Fälle auch ein von dir selbst gewähltes, konkretes Beispiel. Was passiert, wenn wir q < 0 wählen? Begründe deine Antwort.

9.3.6 Bemerkung. Beim Untersuchen einer Folge auf Monotonie kannst du, statt die eigentlichen Definitionen 9.3.1 nachzuprüfen, auch jeweils die Differenz zwischen zwei Folgengliedern betrachten. Genauer gesagt, sei (an)n∈ℕ eine Folge reeller Zahlen. Nach Definition ist (an)

  • monoton wachsend, falls  an ≤ an+1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton wachsend, falls  an < an+1  für alle n ∈ ℕ
  • monoton fallend,   falls  an ≥ an+1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton fallend,   falls  an > an+1  für alle n ∈ ℕ

Wir formen die Ungleichung an ≤ an+1 etwas um.

pict

In Worten bedeutet an+1 −an ≥ 0, dass vom n-ten auf das (n+1)-te Folgenglied eine Zahl ≥ 0 hinzukommt. Gilt dies für alle n, so ist jedes Folgenglied größer (oder zumindest nicht kleiner) als das vorhergehende Folgenglied. Das wiederum entspricht genau der Definition von “monoton wachsend”.

Stellen wir ähnliche Überlegungen auch für die anderen Monotonie-Arten an, so ergibt sich: Die Folge (an)n∈ℕ ist genau dann

  • monoton wachsend, wenn  an+1 −an ≥ 0  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton wachsend, wenn  an+1 −an > 0  für alle n ∈ ℕ
  • monoton fallend,   wenn  an+1 −an ≤ 0  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton fallend,   wenn  an+1 −an < 0  für alle n ∈ ℕ

9.3.7 Beispiel.

1.
Wir betrachten wieder die arithmetische Folge (an)n∈ℕ mit
pict

aus Beispiel 9.3.3 und untersuchen ihr Monotonieverhalten diesmal wie in Bemerkung 9.3.6 erläutert . Es gilt:

an+1 − an = (an+ 2)− an = 2 > 0
für alle n ∈ ℕ. Also ist die betrachtete Folge streng monoton wachsend. Zum Verdeutlichen geben wir noch die ersten zehn Folgenglieder an.
    |  |  |  |   |   |   |    |   |   |
-n--|1-|2-|3-|-4-|-5-|-6-|-7--|8--|9--|10-
 an |5 |7 |9 |11 |13 |15 |17  |19 |21 |23
2.
Betrachten wir nun die Folge (bn)n∈ℕ mit
    2n + 1
bn =------
       n
für alle n ∈ ℕ. Dann gilt:
pict

Da wir bei dieser Folge nur n ∈ ℕ betrachten, gilt zudem

  1    1
-----− --< 0
n+ 1   n
Das bedeutet, dass die Folge streng monoton fallend ist. Um dies deutlich zu machen, geben wir wieder die ersten zehn Folgenglieder an.
   ||  |    |   |     |    |    |     |      |   |
-n-||1-|-2--|3--|--4--|-5--|-6--|--7--|--8---|-9-|-10--
 bn||3 |2,5 |2,ˉ3 |2,25 |2,2 |2,1ˉ6 |2,14 |2,125 |2,1ˉ|2,1
Der für b7 angegebene Wert ist gerundet.

9.3.8 Bemerkung. Statt wie in Bemerkung 9.3.6 die Differenz zweier aufeinanderfolgender Glieder einer Folge zu untersuchen, können wir auch den Quotienten betrachten. Dazu müssen wir voraussetzen, dass alle Glieder der Folge (an)n∈ℕ positiv sind. Dann können wir die Bedingung an ≤ an+1 für monotones Wachstum wie folgt umformen:

pict

Anschaulicher ausgedrückt, bedeutet an+a1
 n ≥ 1, dass das (n+1)-te Folgenglied mindestens 100% des n-ten Folgenglieds ist. Gilt dies für alle n, so ist jedes Folgenglied größer (oder zumindest nicht kleiner) als das vorhergehende Folgenglied. Das wiederum entspricht genau der Definition von “monoton wachsend”.

Die Voraussetzung, dass die Glieder der Folge alle positiv sind, haben wir in dem mit ⋆ markierten Schritt verwendet. Ist an negativ, müssen wir in diesem Schritt das Vergleichszeichen umdrehen. Ist an gleich 0, so dürfen wir die Umformung gar nicht erst durchführen.

Stellen wir ähnliche Überlegungen auch für die anderen Monotonie-Arten an, so ergibt sich: Sind alle Glieder der Folge (an)n∈ℕ positiv, so ist (an) genau dann

  • monoton wachsend, wenn  an+1-
 an ≥ 1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton wachsend, wenn  an+1
-a--
  n > 1  für alle n ∈ ℕ
  • monoton fallend,   wenn  an+1
 an ≤ 1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton fallend,   wenn  an+1
 an < 1  für alle n ∈ ℕ

Sind alle Glieder der Folge negativ, so müssen wir die Vergleichzeichen alle umdrehen. Das heißt, (an)n∈ℕ ist in diesem Fall genau dann

  • monoton wachsend, wenn  an+1-
 an ≤ 1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton wachsend, wenn  an+1
 an < 1  für alle n ∈ ℕ
  • monoton fallend,   wenn  an+1
----
 an ≥ 1  für alle n ∈ ℕ
  • streng monoton fallend,   wenn  an+1
 an > 1  für alle n ∈ ℕ

9.3.9 Beispiel.

1.
Wir betrachten wieder die geometrische Folge (an)n∈ℕ mit Anfangsglied 17 und Quotient 3, also die Folge mit der Rekursionsvorschrift
pict

Wir untersuchen ihr Monotonieverhalten wie in Bemerkung 9.3.8 erläutert. Zunächst beobachten wir, dass alle Glieder der Folge positiv sein müssen, da das erste Glied der Folge (nämlich 1) positiv ist und wir die anderen Folgenglieder durch Multiplikation mit einer positiven Zahl erhalten (genauer gesagt durch Multiplikation mit einer Potenz von 2). Da zudem

an+1   an⋅2
----=  ----= 2 > 0
 an     an
für alle n ∈ ℕ gilt, ist die betrachtete Folge streng monoton wachsend. Um dies noch etwas zu verdeutlichen, berechnen wir die ersten zehn Folgenglieder.
    |  |  |  |  |   |   |   |     |    |
-n--|1-|2-|3-|4-|-5-|-6-|-7-|--8--|-9--|10--
    |  |  |  |  |   |   |   |     |    |
 an  1  2  4  8  16  32  64  128   256  512
2.
Die Glieder der geometrischen Folge (bn)n∈ℕ mit
pict

sind alle negativ, da das Anfangsglied negativ und der Quotient positiv ist. Es gilt auch hier

bn+1   bn⋅2-
 bn =   bn = 2 > 0
für alle n ∈ ℕ. Die Schlussfolgerung ist aber eine andere, nämlich dass die betrachtete Folge streng monoton fallend ist. Zum Verdeutlichen berechnen wir wieder die ersten zehn Folgenglieder.
   ||    |   |     |     |    |     |      |     |      |
-n-||-1--|2--|--3--|-4---|-5--|--6--|--7---|--8--|--9---|--10----
 bn||− 3 |− 6|− 12 |− 24 |− 48|− 96 |− 192 |− 384|− 768 |− 1536