9.5.3 Konvergenzkriterien

Nun haben wir sowohl einige Eigenschaften konvergenter Folgen, als auch Rechenregeln für konvergente Folgen und ihre Grenzwerte kennengelernt. Wir haben bisher aber nur eine Möglichkeit behandelt, um nachzuweisen, dass eine gegebene Folge konvergiert, nämlich das direkte Prüfen der Definition. Dazu brauchen wir aber immer schon eine Vermutung, was der Grenzwert sein könnte, und müssen dann direkt nachweisen, dass die Folge eben jenen Grenzwert hat. Wir wollen in diesem Abschnitt daher einige Methoden kennenlernen, die Konvergenz einer Folge ohne Kenntnis ihres Grenzwertes nachzuweisen.

9.5.22 Definition. Wir bezeichnen eine Folge (an)n∈ℕ reeller Zahlen als Cauchy-Folge, falls es zu jedem ϵ > 0 einen Index n0 gibt, so dass für alle Indizes n,m ≥ n0 gilt: |an−am| < ϵ.

9.5.23 Bemerkung. Anschaulich gesagt, wird der Abstand zwischen zwei Folgengliedern an und am einer Cauchy-Folge mit wachsenden Indizes n und m immer geringer.

9.5.24 Satz. Eine Folge reeller Zahlen ist genau dann konvergent, wenn sie eine Cauchy-Folge ist.

Beweis. Wir zeigen nur, dass jede konvergente Folge auch eine Cauchy-Folge sein muss; ein Beweis für die andere Richtung wäre hier zu kompliziert. Es sei also (an)n∈ℕ eine konvergente Folge mit Grenzwert a. Zudem sei ϵ > 0 beliebig vorgegeben. Wir setzen δ := 1
2 ⋅ϵ.

Da (an) gegen a konvergiert und δ > 0 ist, gibt es einen Index n0, so dass für alle n ≥ n0 gilt: |an −a| < δ. Dann gilt auch: |am −a| < δ für alle m ≥ n0. Damit erhalten wir für alle n,m ≥ n0:

                                                            1
|an− am|= |an− a+ a− am|≤  |an− a|+ |a− am|< δ + δ = 2⋅δ = 2⋅--⋅ϵ = ϵ
                                                            2
Insbesondere ist also |an−am| < ϵ. Das heißt, (an) ist eine Cauchy-Folge.

9.5.25 Beispiel. Von der harmonischen Folge (an)n∈ℕ mit an = 1
n wissen wir bereits, dass sie konvergiert. Wir wollen dies nun auch mittels des Cauchy-Kriteriums nachweisen. Dazu sei ein ϵ > 0 vorgegeben. Wir müssen nun einen Index n0 finden, so dass |an −am| < ϵ für alle n,m ≥ n0.

Es seien k,m,n Indizes mit n,m ≥ k. Das k wird später unser n0. Wir wollen nun |an−am| abschätzen und benutzen dafür Folgendes:

  • Wir können ohne Beschränkung der Allgemeinheit davon ausgehen, dass n ≤ m ist. Anders ausgedrückt ist 1
n1-
m, sodass 1
n1-
m ≥ 0.
  • Da n ≥ k, gilt 1
n1
k.
  • Da 1-
m > 0 für alle m, gilt −1-
m < 0.

In der folgenden Abschätzung verwenden wir diese Punkte in der Reihenfolge wie sie in der Liste oben erscheinen.

            |     |
|a − a | =  ||1-− 1||  =  1-− 1- ≤  1-− 1- <   1− 0  =  1-
  n   m     |n   m|     n   m     k   m      k        k
Um |an−am| < ϵ zu erreichen, müssen wir k einfach nur so wählen, dass 1
k ≤ ϵ gilt. Das können wir bewerkstelligen, indem wir die kleinste natürliche Zahl k mit k ≥1
ϵ wählen. Setzen wir dann n0 := k, so sind wir fertig.

9.5.26 Satz (Monotoniekriterium). Jede beschränkte, monotone Folge reeller Zahlen ist konvergent.

Den Beweis lassen wir aus, weil er für uns an dieser Stelle zu kompliziert wäre.

9.5.27 Beispiel. Wir wollen die Konvergenz der harmonischen Folge (an)n∈ℕ mit an = 1
n auch mit Hilfe des Monotoniekriteriums noch einmal nachweisen. Aus Beispiel 9.3.3 wissen wir bereits, dass (an) streng monoton fallend ist. Zudem wissen wir aus Beispiel 9.4.3, dass die Glieder der harmonischen Folge durch 1 nach oben und durch 0 nach unten beschränkt sind. Dem Monotoniekriterium zu Folge, muss (an) daher konvergent sein.

9.5.28 Aufgabe. Wir betrachten wieder die Folge (an)n∈ℕ , mit

pict

aus Aufgaben 9.3.4 und 9.4.6.

1.
Begründe (mit Hilfe der Resultate aus den genannten Aufgaben), dass die Folge konvergiert.
2.
Zeige, dass 9 der Grenzwert der Folge ist. Dabei kannst du den Ansatz
                       √ --
lim an = lim an+1 = lim(6 + an)
nutzen.

Ändert sich etwas an der Konvergenz der Folge, wenn wir statt a1 = 1 das Anfangsglied a1 = 9 wählen? Was, wenn wir a1 = 16 wählen? Begründe jeweils deine Antwort.